Politisches Gespräch… und was wir dazu sagen!
Dem politischen Gespräch zu den Themen Landwirtschaft und Ernährung und wie Hamburg mehr Bio zu finanzieren plant, folgt hier eine Einschätzung der Inhalte von unserer Seite. Unser Gesamteindruck: Das immense Steuerungspotential seitens der Politik wird noch nicht erkannt. Auch nicht die Komplexität der Thematik und die zahlreichen Herausforderungen, die es in den verschiedenen Bereichen zu bearbeiten gilt. Das zeigte sich vor allem im Schmeichelkurs der Politiker*innen: es fand wenig Abgrenzung über parteiliche Positionen statt, auch wenn die Parteiprogramme diese durchaus hergegeben hätten.
Nachfragehebel der Stadt
Die Stadt Hamburg kontrolliert mit ihrem Einkaufsvolumen einen massiven Nachfragehebel. Wie die Nachfrage der öffentlichen Verpflegung ausgerichtet wird, hat nicht nur eine Folgewirkung auf Wirtschaftskreisläufe. Auch tritt die Stadt als Imageträger auf, der bewusstes Konsumverhalten als notwendig und bedeutsam vermittelt. Insbesondere in der Außer-Haus-Verpflegung (AHV) kann die Stadt hier initiativ werden. Das wurde weder theoretisch, noch auf Hamburger Gegebenheiten ausgerichtete Ansätze konkret und sachlich ausgeführt. Wohin wollen wir als Biostadt? Welche Mittel und Ressourcen, welche Kooperationspartner und welche Prozessschritte brauchen wir dafür? Der Blick und das Verständnis fürs Ganze sowie der Wille für einen Wandel fehlten.
Die grüne AHV-Vision lautete 100% Bio – durchaus grün und durchaus machbar. Die SPD und die Linke hingegen möchten erst einmal 100% Regionalität erreichen. Das scheint wenig durchdacht: Keine Bananen mehr in Kitas? Nur noch Kohl- und Rübengemüse im Winter? Gerstotto statt Risotto? Dinkelpasta statt Hartweizennudeln? Deutsche statt kanadische Linsen? Klingt schmackhaft, heimisch und ganz nach dem Credo einer ökologischen Speiseplanumstellung, ist aber weit von der realen Praxis entfernt und stolpert schon früh über das Diskriminierungsverbot der EU, das Regionalität als Ausschreibungskriterium verbietet.
Man hätte durchaus den Eindruck bekommen können, Hamburg wird weder als Biostadt gedacht noch verstanden. Es war wenig Mut und kaum Bereitschaft spürbar, konkrete Zugeständnisse für mehr Bio und dessen sichere Finanzierung zu machen. Vorschläge wie eine stufenweise, verbindliche Anhebung der Bio-Anteile in der öffentlichen Verpflegung aussehen oder koordinierte Beratungsstrukturen aufgebaut werden, wie griffige Auslobungs- und Kontrollmechanismen für Hamburg entwickelt oder der Aufbau behördlicher Koordination angegangen werden könnten – klare Vorstellungen darüber, welche Maßnahmen mit welchen Mechanismen und welcher Finanzierungsgrundlage die Politik treffen muss, fehlten.
Schulverpflegung
Das Thema Schulverpflegung hatte bereits medialen Vorlauf geliefert: nur zwei Tage vor der Veranstaltung wurde verkündet, dass die Schulbehörde einen Schulessenspreis von 4€ / Mittagessen ablehnt. Bei den Diskutant*innen herrschte zwar Einigkeit darüber, dass die Lohnkosten seit 2012 deutlich gestiegen sind, laut Kekstadt um über 30% nach Tarifvertrag. Die Regierungsparteien waren jedoch zurückhaltend bzgl. eines klaren Statements für die höhere Bepreisung des Schulessens. Wenn auch Kekstadt die öffentliche Hand als Besteller und somit auch Bezahler der Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen sieht, blieb ein Zugestehen höherer Essenspreise in der Schulverpflegung aus. Ähnlich wie SPD-Schulsenator Ties Rabe möchte Kekstadt Vereinbarungen über Qualität mit Prozentanteilen für Bio-Produkte schaffen und vorab spezifizierte Mehrkosten (die Rede war von 0,60 – 1,0 €) definieren.
Die Opposition äußerte sich klarer. Jersch nannte einen Mindestpreis von 4€ als Ausgangslage. Bio-Anteile seien damit aber noch nicht finanziert und müssen in ihrer Umsetzung als Aufgabe der öffentlichen Hand verstanden werden. Duwe wiederum sprach erst von 5€ und ausreichend verfügbaren Mitteln in der Haushaltskasse, wobei später beanstandet wurde, dass eben kreativ gekocht werden müsse und dann auch 3,50€ reichen würden. Für diese Aussage musste er ein deutliches Raunen im Publikum hinnehmen; insgesamt waren nicht nur da deutliche Informationsdefizite spürbar.
Rot-Grün war sich einig darin, dass die wesentlichen Stellschrauben nicht beim Geld, sondern in der Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung, einer deutlichen Fleischreduktion und den Fokus auf weniger, dafür bessere Menüs liegen. Diese Ansatzpunkte sind die gängigen und durchaus erstrebenswert. Aber oft können Caterer nur bedingt die Lebensmittelabfälle steuern, es wird bereits zielgenauer gekocht als früher. Die Praxis zeigt, dass Bio keineswegs ohne Mehrbepreisung zu schaffen ist. Sollte Rot-Grün (oder noch besser: Grün-Rot) erneut das Regierungsmandat annehmen, müssen konkrete Maßnahmen für ökologische und regionale Qualität UND die Übernahme der Verantwortung in der Finanzierung getroffen werden.
Bio umfassend denken: kommt die Hamburger Ernährungsstrategie?
Eine Idee, wie eine neue Koalitionsregierung das Thema einer umweltverträglichen und gesunden AHV angehen könnte, liegt in einer ganzheitlichen Ernährungsstrategie, wie sie in Berlin zurzeit entwickelt wird. Selbst das jüngst vorgestellte Agrarpolitische Konzept 2025 schlägt eine Anlaufstelle für die Koordinierung der Bio-Verpflegung vor. Sowohl Kekstadt als auch Sparr finden dafür positive Worte. Der Vorteil eines entsprechenden Ernährungsplans ist, dass auf die konkreten Gegebenheiten vor Ort eingegangen und dazu passende Maßnahmen definiert werden. Wenn auch klare Signale politischer Bekenntnisse selbst in einer Wahlkampfveranstaltung ausblieben, wurde umso deutlicher, dass das Thema Ernährung gebündelt und einheitlich koordiniert werden muss. Eine Hamburger Ernährungsstrategie würde dazu eine optimale Ausgangslage schaffen.